Merkurdurchgänge, Perioden und Serien

Allgemeines

Da die Bahn des Merkur ungefähr 7° gegen die Erdbahnebene geneigt ist, kann sich ein Merkurdurchgang nur dann ereignen, wenn sich der Planet in unmittelbarer Nähe von einem seiner Bahnknoten befindet. Es gibt daher zwei derartige Ereignisse, Durchgänge im aufsteigenden und solche im absteigenden Knoten. Die Bahnebene des Merkur ist dergestalt, dass sich der aufsteigende Knoten in der Nähe des Perihels befindet, entsprechend befindet sich der absteigende Knoten nahe am Aphel. Aufgrund der relativ hohen Bahnexzentrizität der Merkurbahn von rund 0.2 unterscheiden sich die Ereignisse wesentlich.

Abbildung 1: heliozentrische Bahnen der erdähnlichen Planeten (entnommen aus [1]

Die rot eingezeichnete Linie verbindet die beiden Bahnknoten der Merkurbahn. Am äußeren Kreis sind die Zeitpunkte vermerkt, an denen die Erde diese Linie kreuzt.
Die Entfernungen Erde - Merkur zu den in Frage kommenden Zeitintervallen betragen ungefähr:

Mai0.56 AE
November0.68 AE

Die Bahnebene eines Planeten verändert sich im Laufe der Zeit nur geringfügig - im Gegensatz etwa zum Erdmond. Die Knoten bewegen sich pro Jahrhundert nur rund 1.2°. Im Vergleich dazu läuft der Mondknoten in 19 Jahren einmal um (20°/a). Daraus ergibt sich, dass sich in der gegenwärtigen Zeit Merkurdurchgänge nur in den Zeiträumen vom 6. bis 11. Mai bzw. vom 6. bis 15. November ereignen können. (In 1000 Jahren werden es die Intervalle 19. - 23. Mai und 19. - 27. November sein.) Entsprechend der verschiedenen Bahngeschwindigkeiten entsprechend dem 2. Keplerschen Gesetz dauert ein zentraler Durchgang im Mai ungefähr 8 Stunden, im November dagegen nur rund 5½ Stunden. Die geringere Entfernung zur Sonne im November hat einerseits zur Folge, dass Merkur kleiner erscheint als im Mai (10" und 12"). Andererseits ist der Bahnbogen, auf dem ein Durchgang stattfinden kann, im November aufgrund der größeren Sonnennähe (ein geometrischen Effekt) größer als im Mai. Dies sieht man unmittelbar am größeren Zeitfenster der November-Durchgänge (rund 6 Tage im Mai, 10 Tage im November). Ein weiterer geometrischer Effekt spielt eine Rolle. Die größerer Sonnennähe im November hat zur Folge, dass die heliozentrische Breite, bei der ein Transit gerade noch stattfinden kann, größer ist als im Mai. Beide Faktoren zusammen bewirken, dass die Durchgänge im November ungefähr doppelt so häufig sind, wie die im Mai.

Perioden und Serien

Zunächst ein allgemein gültiger Satz zur Begriffsbestimmung:

Astronomische Erscheinungen, die durch das annähernde Zusammentreffen von sich unendlich periodisch wiederholenden Ereignissen entstehen, bilden Serien aus, das sind stets endliche Folgen von Erscheinungen, die untereinander dieselbe Zeitdifferenz haben und ähnliche Umstände aufweisen.

Im konkreten Fall der Merkurdurchgänge müssen die untere Konjunktion des Merkur und der Knotendurchgang des Merkur annähernd zusammentreffen. Der Spielraum ist hier durch die Bahnneigung der Merkurbahn und durch die Ausdehnung der Sonne gegeben.

Perioden

Die Tabellen 1 und 2 enthalten die Daten aller Merkurdurchgänge von 1601 bis 2300, getrennt nach Mai- und Novemberereignissen.

Jahr Tag Diff. Jahr Tag Diff.
1615Mai 3 2003Mai 733
1628Mai 5132016Mai 913
1661Mai 3332049Mai 733
1674Mai 7132062Mai 1013
1707Mai 5332095Mai 833
1740Mai 2332108Mai 1213
1753Mai 6132141Mai 1033
1786Mai 4332154Mai 1313
1799Mai 7132174Mai 820
1832Mai 5332187Mai 1113
1845Mai 8132220Mai 933
1878Mai 6332233Mai 1213
1891Mai 10132266Mai 1033
1924Mai 8332279Mai 1313
1937Mai 1113
1957Mai 620
1970Mai 913
Jahr Tag Diff. Jahr Tag Diff.
1605Nov 1 1960Nov 77
1618Nov 4131973Nov 1013
1631Nov 7131986Nov 1313
1644Nov 9131993Nov 67
1651Nov 371999Nov 156
1664Nov 4132006Nov 87
1677Nov 7132019Nov 1113
1690Nov 10132032Nov 1313
1697Nov 372039Nov 77
1710Nov 6132052Nov 913
1723Nov 9132065Nov 1113
1736Nov 11132078Nov 1413
1743Nov 572085Nov 77
1756Nov 7132098Nov 1013
1769Nov 9132111Nov 1413
1776Nov 272124Nov 1513
1782Nov 1262131Nov 77
1789Nov 572144Nov 1113
1802Nov 9132157Nov 1413
1815Nov 12132170Nov 1613
1822Nov 572177Nov 97
1835Nov 7132190Nov 1213
1848Nov 9132203Nov 1613
1861Nov 12132210Nov 97
1868Nov 572223Nov 1313
1881Nov 8132236Nov 1313
1894Nov 10132249Nov 1613
1907Nov 14132256Nov 97
1914Nov 772269Nov 1313
1927Nov 10132282Nov 1513
1940Nov 11132295Nov 1713
1953Nov 1413
Tabelle 1: Merkurdurchgänge im Mai 1601 bis 2300 Tabelle 2: Merkurdurchgänge im November 1601 bis 2300

Man erkennt sofort, dass als Zeitraum zwischen zwei aufeinander folgenden Erscheinungen nur wenige Werte vorkommen, nämlich 6, 7, 13, 20 und 33 Jahre. Im November vergehen zwischen zwei Durchgängen mindestens 6 Jahre, andererseits folgt der nächste Durchgang nach spätestens 13 Jahren. Im Mai müssen mindestens 13 Jahre vergehen, bevor der nächste Transit folgt, das längste Intervall beträgt dagegen 33 Jahre. 6 und 7 bilden gewissermaßen die Basisperiode, aus denen alle weiteren abgeleitet werden können in der Form

i·6 + j·7      i, j ganze positive Zahlen

13 = 1·6 + 1·7
20 = 1·6 + 2·7
33 = 2·6 + 3·7

Betrachtet man die Tabelle genauer, so findet man, dass oft die Zeiträume 7, 13, 13 und 13 Jahre (November) und 33 und 13 Jahre (Mai)vorkommen, was zusammen immer 46 Jahre ergibt. (die 46 passt natürlich auch in obiges Schema 46 = 3·6 + 4·7). Nach 46 Jahren wiederholen sich mit einiger Wahrscheinlichkeit diese Transits. In der Tabelle lassen sich viele Beispiele dafür finden, aber auch solche, wo nach 46 Jahren kein weiterer Durchgang folgt (z. B. 1999). Man kann hier vermuten, dass die (selten auftretenden) 6 Jahre (November) und 20 Jahre (Mai) Differenz damit im Zusammenhang steht.

Serien

Die kurzen Perioden von 6 und 7 Jahren bilden keine Serien aus, bei den Maierscheinungen alternieren in der Regel sogar die längeren Perioden von 13 und 33 Jahre. Die kürzeste Periode, die Serien mit einigen Elementen ausbildet, ist 46 Jahre lang. Die Entstehung von Serien wird am deutlichsten klar, wenn man die Daten in der Weise anordnet, dass jeweils 46 Jahre auseinander liegende Erscheinungen untereinander geschrieben werden. Die Angaben zum Tag sind in den Tabellen 3 und 4 der Übersichtlichkeit halber weggelassen.

A F B E C D G
1605
1618 1631 16441651
1664 1677 16901697
1710 1723 17361743
1756 1769177617821789
1802 18151822 1835
1848 18611868 1881
1894 19071914 1927
1940 19531960 1973
1986199319992006 2019
20322039 2052 2065
20782085 2098 2111
21242131 2144 2157
21702177 2190 22032210
(2216)2223 2236 22492256
2269 2282 2295[2302]
Tabelle 3: Novemberserien


a d b c e
16151628
16611674
1707(1720)1740
17531786
17991832
18451878
18911924
193719571970
20032016
20492062
20952108
214121542174
21872220
22332266
2279
Tabelle 4: Maiserien

In Klammern gesetzte Jahreszahlen bedeuten, dass hier kein Transit mehr stattfand (Merkur also sehr dicht außerhalb des Sonnenrandes vorbeizog). Die Durchgänge einer Serie im absteigenden Knoten (Mai) beginnen am nördlichen Sonnenrand. Die Bahnen der nächsten Erscheinungen verlaufen ziemlich genau jeweils 200" südlicher als beim vorangegangenen Ereignis.
Die Durchgänge im aufsteigenden Knoten beginnen dementsprechend am südlichen Sonnenrand. Die nächsten Ereignisse der Serie laufen jeweils 102" nördlicher. Auch hier spiegelt sich die größere Häufigkeit der Novemberereignisse wider.

Die - sehr selten vorkommenden - Differenzen von 6 bzw. 20 Jahren markieren sowohl das Ende einer Serie als auch den Beginn einer neuen Serie. Die Anzahl der Ereignisse pro Serie ist relativ gering, sie dauern trotzdem einige hundert Jahre. Die Maiserien umfassen 10 Erscheinungen (9·46 = 414 Jahre), die im November 19 oder 20 (828 oder 874 Jahre).

Gegenwärtig sind 6 derartigen Serien "aktiv", zwei im Mai (c und d), vier im November (A, F, D und E). Der Merkurdurchgang von 2003 ist das zweite Element der 1957 begonnenen Serie. Demzufolge verläuft die Bahn vor der Sonne relativ weit vom Sonnenmittelpunkt entfernt.

Die Bahnen des Merkur vor der Sonne

Die Abbildung 2 zeigt die geozentrischen Bahnen des Merkur vor der Sonne bei allen Transits zwischen 1953 und 2078.

Man kann hier alle im Text beschriebenen Perioden wiederfinden.

Die projizierten Bahnen verlaufen in sehr guter Näherung parallel, und die Abstände der Bahnen zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Ereignissen sind :

Periode
(Jahre)
Mai November
6 - +1890"
7 - -1390"
13 -1030" +500"
20 +1870" -900"
33 +830" - 395"
46 -200" +103"
Tabelle 5: Verschiebung der Merkurbahn während einer Periode

Das negative Vorzeichen bedeutet, dass sich die Bahn nach Süden hin verschiebt, positive bezeichnen eine Verlagerung zum nördlichen Sonnenrand. Diese Daten sind Durchschnittswerte, wobei die Streuung mit wenigen Bogensekunden recht gering ist. Man beachte auch, dass die Bahnverschiebung einer größeren Periode annähernd gleich ist der Summe der Verschiebungen der darin enthaltenen kleineren Perioden.

46 Jahre, Mai: = -1030 +830 = -200

Der scheinbare Sonnendurchmesser beträgt um den 8. Mai 1902", am 10. November 1938". Dividiert man den scheinbaren Sonnendurchmesser durch den Bahnabstand zwischen zwei Ereignissen, so erhält man die maximale Anzahl der Elemente zu dieser Serie. Nehmen wir als Beispiel 33 Jahre (November):

1938" / 395" ≈ 4,9

Das bedeutet, dass im November maximal fünf aufeinanderfolgende Ereignisse im Abstand von 33 Jahren möglich sind (Beispiel: 1907, 1940, 1973, 2006, 2039).

Analytische Ermittlung der Perioden

Wie kann man diese Perioden ermitteln, wenn man kein umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung hat? Diese Aufgabe läuft darauf hinaus, das Verhältnis der siderischen Umlaufszeiten von Erde und Merkur (genauer der Umlaufzeit bezüglich des Knotens) als Bruch von möglichst kleinen ganzen Zahlen auszudrücken.

Siderischer Umlauf Erde365.2563 d
Drakonitischer Umlauf Merkur87.969 d

Verhältnis: 365.256363 / 87.969256 = 4.152091

J. Meeus gibt in [2] ein auf dem Konzept der Kettenbruchentwicklung basierendes Rechenverfahren an, welches genau dieses Problem löst. Hier sollen nur die damit erhaltenen Ergebnisse dargestellt werden:

p 4 25 29 54 137 191 901
q 1 6 7 13 33 46 217
p/q 4 4,166667 4,142857 4,153846 4,151515 4,152174 4,152074
Diff. -0,152091 0,014576 -0,009234 0,001755 -0,000576 0,000083 -0,000018
Tabelle 6 : Analytisch bestimmte Perioden

p ist die Anzahl der Merkurumläufe, q die zugehörigen Umläufe der Erde (Jahre). Ein Jahr stellt eine zu grobe Näherung dar, denn nach einem Jahr wiederholt sich kein Transit. Je größer p und damit auch q werden, wird die Dezimalzahl immer besser angenähert, wobei die Abweichung vom Zielwert abwechselnd positiv und negativ ist. Die früher gefundene Periode von 20 Jahren erscheint hier nicht, da die 20 Jahre eine schlechtere Annäherung als die (kleineren) 13 Jahre darstellen.
Eine weitaus bessere Annäherung als die bisher gefundenen sind 217 Jahre. Der praktische Nutzen derart langer Perioden ist jedoch eingeschränkt, da für Vorhersagen erheblich umfangreiches Datenmaterial benötigt wird und Angaben für weit in der Zukunft liegende Jahre nur von sehr theoretischem Interesse sind.

Zum Schluss soll noch erwähnt werden, dass sich genau nach diesen Perioden auch die Sichtbarkeitsbedingungen des Merkur im allgemeinen wiederholen. Im Jahr 2003 erreicht Merkur Mitte April die größte östliche Elongation. Daraus ergibt sich auch ohne komplizierte Rechnung, dass auch 1997, 1996, 1990, 1983, 1970 und 1957 Merkur Mitte April eine günstige Abendsichtbarkeit hatte.


Literatur:
[1] Ahnert, P. Kalender für Sternfreunde 1976, J. A. Barth Leipzig
[2] Meeus, Jean: Mathematical Astronomy Morsels, 2000, Willmann-Bell Inc.

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