Da die Bahn des Merkur ungefähr 7° gegen die Erdbahnebene geneigt ist, kann sich ein Merkurdurchgang nur dann ereignen, wenn sich der Planet in unmittelbarer Nähe von einem seiner Bahnknoten befindet. Es gibt daher zwei derartige Ereignisse, Durchgänge im aufsteigenden und solche im absteigenden Knoten. Die Bahnebene des Merkur ist dergestalt, dass sich der aufsteigende Knoten in der Nähe des Perihels befindet, entsprechend befindet sich der absteigende Knoten nahe am Aphel. Aufgrund der relativ hohen Bahnexzentrizität der Merkurbahn von rund 0.2 unterscheiden sich die Ereignisse wesentlich.
Die rot eingezeichnete Linie verbindet die beiden Bahnknoten der Merkurbahn. Am
äußeren Kreis sind die Zeitpunkte vermerkt, an denen die Erde diese Linie kreuzt.
Die Entfernungen Erde - Merkur zu den in Frage kommenden Zeitintervallen betragen
ungefähr:
Mai | 0.56 AE |
November | 0.68 AE |
Die Bahnebene eines Planeten verändert sich im Laufe der Zeit nur geringfügig - im Gegensatz etwa zum Erdmond. Die Knoten bewegen sich pro Jahrhundert nur rund 1.2°. Im Vergleich dazu läuft der Mondknoten in 19 Jahren einmal um (20°/a). Daraus ergibt sich, dass sich in der gegenwärtigen Zeit Merkurdurchgänge nur in den Zeiträumen vom 6. bis 11. Mai bzw. vom 6. bis 15. November ereignen können. (In 1000 Jahren werden es die Intervalle 19. - 23. Mai und 19. - 27. November sein.) Entsprechend der verschiedenen Bahngeschwindigkeiten entsprechend dem 2. Keplerschen Gesetz dauert ein zentraler Durchgang im Mai ungefähr 8 Stunden, im November dagegen nur rund 5½ Stunden. Die geringere Entfernung zur Sonne im November hat einerseits zur Folge, dass Merkur kleiner erscheint als im Mai (10" und 12"). Andererseits ist der Bahnbogen, auf dem ein Durchgang stattfinden kann, im November aufgrund der größeren Sonnennähe (ein geometrischen Effekt) größer als im Mai. Dies sieht man unmittelbar am größeren Zeitfenster der November-Durchgänge (rund 6 Tage im Mai, 10 Tage im November). Ein weiterer geometrischer Effekt spielt eine Rolle. Die größerer Sonnennähe im November hat zur Folge, dass die heliozentrische Breite, bei der ein Transit gerade noch stattfinden kann, größer ist als im Mai. Beide Faktoren zusammen bewirken, dass die Durchgänge im November ungefähr doppelt so häufig sind, wie die im Mai.
Zunächst ein allgemein gültiger Satz zur Begriffsbestimmung:
Astronomische Erscheinungen, die durch das annähernde Zusammentreffen von sich unendlich periodisch wiederholenden Ereignissen entstehen, bilden Serien aus, das sind stets endliche Folgen von Erscheinungen, die untereinander dieselbe Zeitdifferenz haben und ähnliche Umstände aufweisen. |
Im konkreten Fall der Merkurdurchgänge müssen die untere Konjunktion des Merkur und der Knotendurchgang des Merkur annähernd zusammentreffen. Der Spielraum ist hier durch die Bahnneigung der Merkurbahn und durch die Ausdehnung der Sonne gegeben.
Die Tabellen 1 und 2 enthalten die Daten aller Merkurdurchgänge von 1601 bis 2300, getrennt nach Mai- und Novemberereignissen.
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Tabelle 1: Merkurdurchgänge im Mai 1601 bis 2300 | Tabelle 2: Merkurdurchgänge im November 1601 bis 2300 |
Man erkennt sofort, dass als Zeitraum zwischen zwei aufeinander folgenden Erscheinungen nur wenige Werte vorkommen, nämlich 6, 7, 13, 20 und 33 Jahre. Im November vergehen zwischen zwei Durchgängen mindestens 6 Jahre, andererseits folgt der nächste Durchgang nach spätestens 13 Jahren. Im Mai müssen mindestens 13 Jahre vergehen, bevor der nächste Transit folgt, das längste Intervall beträgt dagegen 33 Jahre. 6 und 7 bilden gewissermaßen die Basisperiode, aus denen alle weiteren abgeleitet werden können in der Form
i·6 + j·7 i, j ganze positive Zahlen |
13 = 1·6 + 1·7
20 = 1·6 + 2·7
33 = 2·6 + 3·7
Betrachtet man die Tabelle genauer, so findet man, dass oft die Zeiträume 7, 13, 13 und 13 Jahre (November) und 33 und 13 Jahre (Mai)vorkommen, was zusammen immer 46 Jahre ergibt. (die 46 passt natürlich auch in obiges Schema 46 = 3·6 + 4·7). Nach 46 Jahren wiederholen sich mit einiger Wahrscheinlichkeit diese Transits. In der Tabelle lassen sich viele Beispiele dafür finden, aber auch solche, wo nach 46 Jahren kein weiterer Durchgang folgt (z. B. 1999). Man kann hier vermuten, dass die (selten auftretenden) 6 Jahre (November) und 20 Jahre (Mai) Differenz damit im Zusammenhang steht.
Die kurzen Perioden von 6 und 7 Jahren bilden keine Serien aus, bei den Maierscheinungen alternieren in der Regel sogar die längeren Perioden von 13 und 33 Jahre. Die kürzeste Periode, die Serien mit einigen Elementen ausbildet, ist 46 Jahre lang. Die Entstehung von Serien wird am deutlichsten klar, wenn man die Daten in der Weise anordnet, dass jeweils 46 Jahre auseinander liegende Erscheinungen untereinander geschrieben werden. Die Angaben zum Tag sind in den Tabellen 3 und 4 der Übersichtlichkeit halber weggelassen.
A | F | B | E | C | D | G |
1605 | ||||||
1618 | 1631 | 1644 | 1651 | |||
1664 | 1677 | 1690 | 1697 | |||
1710 | 1723 | 1736 | 1743 | |||
1756 | 1769 | 1776 | 1782 | 1789 | ||
1802 | 1815 | 1822 | 1835 | |||
1848 | 1861 | 1868 | 1881 | |||
1894 | 1907 | 1914 | 1927 | |||
1940 | 1953 | 1960 | 1973 | |||
1986 | 1993 | 1999 | 2006 | 2019 | ||
2032 | 2039 | 2052 | 2065 | |||
2078 | 2085 | 2098 | 2111 | |||
2124 | 2131 | 2144 | 2157 | |||
2170 | 2177 | 2190 | 2203 | 2210 | ||
(2216) | 2223 | 2236 | 2249 | 2256 | ||
2269 | 2282 | 2295 | [2302] |
a | d | b | c | e |
1615 | 1628 | |||
1661 | 1674 | |||
1707 | (1720) | 1740 | ||
1753 | 1786 | |||
1799 | 1832 | |||
1845 | 1878 | |||
1891 | 1924 | |||
1937 | 1957 | 1970 | ||
2003 | 2016 | |||
2049 | 2062 | |||
2095 | 2108 | |||
2141 | 2154 | 2174 | ||
2187 | 2220 | |||
2233 | 2266 | |||
2279 |
In Klammern gesetzte Jahreszahlen bedeuten, dass hier kein Transit mehr stattfand (Merkur also
sehr dicht außerhalb des Sonnenrandes vorbeizog). Die Durchgänge einer Serie im absteigenden
Knoten (Mai) beginnen am nördlichen Sonnenrand. Die Bahnen der nächsten Erscheinungen verlaufen
ziemlich genau jeweils 200" südlicher als beim vorangegangenen Ereignis.
Die Durchgänge im aufsteigenden Knoten beginnen dementsprechend am südlichen Sonnenrand. Die
nächsten Ereignisse der Serie laufen jeweils 102" nördlicher. Auch hier spiegelt sich die größere
Häufigkeit der Novemberereignisse wider.
Die - sehr selten vorkommenden - Differenzen von 6 bzw. 20 Jahren markieren sowohl das Ende einer Serie als auch den Beginn einer neuen Serie. Die Anzahl der Ereignisse pro Serie ist relativ gering, sie dauern trotzdem einige hundert Jahre. Die Maiserien umfassen 10 Erscheinungen (9·46 = 414 Jahre), die im November 19 oder 20 (828 oder 874 Jahre).
Gegenwärtig sind 6 derartigen Serien "aktiv", zwei im Mai (c und d), vier im November (A, F, D und E). Der Merkurdurchgang von 2003 ist das zweite Element der 1957 begonnenen Serie. Demzufolge verläuft die Bahn vor der Sonne relativ weit vom Sonnenmittelpunkt entfernt.
Die Abbildung 2 zeigt die geozentrischen Bahnen des Merkur vor der Sonne bei allen Transits zwischen 1953 und 2078.
Man kann hier alle im Text beschriebenen Perioden wiederfinden.
Die projizierten Bahnen verlaufen in sehr guter Näherung parallel, und die Abstände der Bahnen zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Ereignissen sind :
Periode (Jahre) |
Mai | November |
6 | - | +1890" |
7 | - | -1390" |
13 | -1030" | +500" |
20 | +1870" | -900" |
33 | +830" | - 395" |
46 | -200" | +103" |
Das negative Vorzeichen bedeutet, dass sich die Bahn nach Süden hin verschiebt, positive bezeichnen eine Verlagerung zum nördlichen Sonnenrand. Diese Daten sind Durchschnittswerte, wobei die Streuung mit wenigen Bogensekunden recht gering ist. Man beachte auch, dass die Bahnverschiebung einer größeren Periode annähernd gleich ist der Summe der Verschiebungen der darin enthaltenen kleineren Perioden.
46 Jahre, Mai: = -1030 +830 = -200
Der scheinbare Sonnendurchmesser beträgt um den 8. Mai 1902", am 10. November 1938". Dividiert man den scheinbaren Sonnendurchmesser durch den Bahnabstand zwischen zwei Ereignissen, so erhält man die maximale Anzahl der Elemente zu dieser Serie. Nehmen wir als Beispiel 33 Jahre (November):
1938" / 395" ≈ 4,9
Das bedeutet, dass im November maximal fünf aufeinanderfolgende Ereignisse im Abstand von 33 Jahren möglich sind (Beispiel: 1907, 1940, 1973, 2006, 2039).
Wie kann man diese Perioden ermitteln, wenn man kein umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung hat? Diese Aufgabe läuft darauf hinaus, das Verhältnis der siderischen Umlaufszeiten von Erde und Merkur (genauer der Umlaufzeit bezüglich des Knotens) als Bruch von möglichst kleinen ganzen Zahlen auszudrücken.
Siderischer Umlauf Erde | 365.2563 d |
Drakonitischer Umlauf Merkur | 87.969 d |
Verhältnis: 365.256363 / 87.969256 = 4.152091
J. Meeus gibt in [2] ein auf dem Konzept der Kettenbruchentwicklung basierendes Rechenverfahren an, welches genau dieses Problem löst. Hier sollen nur die damit erhaltenen Ergebnisse dargestellt werden:
p | 4 | 25 | 29 | 54 | 137 | 191 | 901 |
q | 1 | 6 | 7 | 13 | 33 | 46 | 217 |
p/q | 4 | 4,166667 | 4,142857 | 4,153846 | 4,151515 | 4,152174 | 4,152074 |
Diff. | -0,152091 | 0,014576 | -0,009234 | 0,001755 | -0,000576 | 0,000083 | -0,000018 |
p ist die Anzahl der Merkurumläufe, q die zugehörigen Umläufe der Erde (Jahre). Ein Jahr stellt
eine zu grobe Näherung dar, denn nach einem Jahr wiederholt sich kein Transit. Je größer p und damit
auch q werden, wird die Dezimalzahl immer besser angenähert, wobei die Abweichung vom Zielwert
abwechselnd positiv und negativ ist. Die früher gefundene Periode von 20 Jahren erscheint hier nicht,
da die 20 Jahre eine schlechtere Annäherung als die (kleineren) 13 Jahre darstellen.
Eine weitaus bessere Annäherung als die bisher gefundenen sind 217 Jahre. Der praktische Nutzen
derart langer Perioden ist jedoch eingeschränkt, da für Vorhersagen erheblich umfangreiches
Datenmaterial benötigt wird und Angaben für weit in der Zukunft liegende Jahre nur von sehr
theoretischem Interesse sind.
Zum Schluss soll noch erwähnt werden, dass sich genau nach diesen Perioden auch die Sichtbarkeitsbedingungen des Merkur im allgemeinen wiederholen. Im Jahr 2003 erreicht Merkur Mitte April die größte östliche Elongation. Daraus ergibt sich auch ohne komplizierte Rechnung, dass auch 1997, 1996, 1990, 1983, 1970 und 1957 Merkur Mitte April eine günstige Abendsichtbarkeit hatte.